RAVE UP - VIENNA'S INDEPENDENT SHOP  - 1060 WIEN, Hofmühlgasse 1, Tel. 01 596 96 50

Liebe Freundinnen und Freunde und Music Lover, werte Stammkundschaft,

„Sie umgeben mich von allen Seiten, aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren“, heißt es in Psalm 118. Markige Bibelworte, die sich auch im Fußball als hilfreich erweisen? Seit Wochen wird in den Stadien und vor den TV-Geräten wieder kollektiv geglaubt, gehofft, getrauert und, wie etwa beim respektablen Auftritt Österreichs bei der Fußballeuropameisterschaft, gejubelt? Ein göttliches Tor, der heilige Rasen, pilgernde Zuschauer in die Stadien – wohl überzogene Metaphern der Sportberichterstattung, doch die Begeisterung vieler Fußballfans nimmt schon spirituelle Dimensionen an. Wie der Sport dient auch die Musik nicht selten als (Ersatz-)Religion. Zu diesen quasi metaphysischen Fragen liefern die Juli-Neuerscheinungen spannende Belege. Und endlich dürfen die Musikfans wieder zurück in die Konzertsäle, Stadien oder auf die Festivalfelder, um dem musikalischen Hochamt ihrer Idole andächtig und begeistert zu lauschen.

LUBRICATED GOAT – forces you canʼt understand

LUBRICATED GOAT
forces you canʼt understand LP

„Forces You Donʼt Understand“ ist das vierte Studioalbum der australischen Noise-Rock-Band Lubricated Goat, produziert von Martin Bisi (Sonic Youth, Swans, Unsane, Helmet, Foetus), das bei seiner Veröffentlichung 1994 nur auf CD gepresst wurde. Es ist die einmalige New Yorker Version des von Stu Spasm geleiteten Projekts. Vinnie Signorelli, der einige Zeit bei Foetus und den Swans mitgewirkt hatte, war am Schlagzeug, und Tod Ashley von Cop Shoot Cop halfen beim Tape-Sample, während Tony Lee von Railroad Jerk den Bass lieferte. Dazu gesellte sich noch Jim Collaruso von Motherhead Bug. Alles in allem also eine Art Noise-Rock-Supergroup. Der frühe, raue Big Black/Birthday Party-Sound wich einem reißerischen Mix, der an Tom Waits oder Nick Cave als Mitstreiter von Pere Ubu erinnerte. „Forces You Donʼt Understand“ wütet als New Yorker Inkarnation genauso laut wie die Arbeit der Originalband, aber die neuen Spieler treiben Spasm in atmosphärisch dichtes Terrain, geprägt von Spazz-Jazz im Birthday Party-Stil und überraschend urbanem Death-Blues.

20th century rake
lost time
NINA SIMONE – the montreux years

NINA SIMONE
the montreux years LP/CD (REMASTERED)

Von allen Konzerten Nina Simones in Montreux war ihr Auftritt 1976 legendär, hauptsächlich wegen der unverhüllten Verärgerung der Sängerin über ein vermeintlich respektloses Publikum, welches sich ungehalten zeigte, weil sie versucht hatte, die Show während eines Songs zu verlassen. Aber das Konzert war auch bemerkenswert für eine atemberaubend kathartische Version von „Janis Ian Stars“, das hier wie ein verlorenes, geflüstertes Geständnis rüberkommt; als würde Simone vor der Welt ihre zerschundene und zerschmetterte Seele entblößen. Aus demselben Konzert stammen auch der sengende Protestsong „Backlash Blues“ und das schmerzlich-verletzliche „Little Girl Blue“. Allein diese drei Nummern gehören zu den denkwürdigsten Momenten der Sammlung „The Montreux Years“. Aber auch Simones Auftritte von 1990 liefern so manche Highlights, wie etwa ihre ergreifende feministische Hymne „Four Women“, deren Botschaft in der Black Lives Matter-Ära immer noch mitschwingt. Dazu ihr unvergleichliches Cover von Marleys „No Woman, No Cry“, das Simones Genie zeigt, einen fremden Song wie einen eigenen klingen zu lassen. Diese Sammlung ist eine Feier der Superlative für eine einzigartige Künstlerin der Populärmusik.

backlash blues
no woman no cry
TAMAR APHEK – all bets are off

TAMAR APHEK
all bets are off LP/CD

Sie hat eine rauchige, streichelnde Stimme, sie hat eine klare Sicht, Leidenschaft und Richtung, und sie kann mit den besten sechs Saiten spielen. Meine Damen und Herren, machen Sie sich bereit, in Ihrem Herzen Platz für Tamar Aphek zu machen. Sie ist ein Gesicht in ihrer Heimat Israel und wird von der Zeitschrift „Timeout Tel-Aviv“ als „Israels Gitarrengöttin“ bezeichnet. Sie leitet das Festival „Außer das“ und schrieb den Soundtrack zum Comedy-Drama „One Week And A Day“, das 2016 in Cannes ausgezeichnet wurde. Es ist zu all unserem Vorteil, dass Kill Rock Stars, diese bahnbrechende Marke, die etwa Elliott Smith, The Decemberists oder Sleater-Kinney beherbergt hat, sie in ihr Haus gelockt haben. Ihrem Debütalbum „All Bets Are Off“ kann man sich nur schwer entziehen. Für jemanden, dem Rock tatsächlich durch die Adern fließt, kam Tamar Aphek relativ spät zur Rockmusik. Sie sang in einem renommierten Chor und nahm ein Jahrzehnt lang Klavierunterricht. Das änderte sich mit dem 18. Lebensjahr, als sie zum ersten Mal Bands wie Fugazi, Shellac, Sonic Youth, Jesus Lizard, Blonde Redhead, Unwound oder Slint hörte. „All Bets Are Off“ ist ein krasser Einstieg. Aphek nimmt das Power-Trio-Ding und treibt es mit Eleganz und so viel Feuer in neue Psych-Blues-Rock-Territorien vor. Sie ist vielleicht auch die beste neue Noisy-Gitarren-Stylistin seit Joey Santiago und John Dwyer. Man merkt, zwischen ihr und der Gitarre herrscht eine wilde Liebesbeziehung fürs Leben, in der Art Richard Burton–Liz Taylor. Sie ist mächtig und hat eine Stimme von echter Eleganz, klanglicher Feuerkraft und Melodien, und die Zukunft ist wirklich sehr, sehr hell.

drive
russian winter
MILES DAVIS ‎ – merci miles! live at vienne

MILES DAVIS ‎
merci miles! live at vienne 2LP/CD

„Merci-Meilen! Live at Vienna“ ist ein bemerkenswertes Konzertdokument, und die einzige Überraschung daran ist, dass es dreißig Jahre lang begraben lag. Inmitten all der wundervollen Momente und Melodien sticht „Amandla“ aus dem gleichnamigen vorangegangenen Studioalbum heraus. Ebensfalls daraus entnommen ist die Eröffnungsnummer dieses Auftritts, „Hannibal“, die in äußerst epischem Stil geboten wird. In den ersten Minuten dreht sich alles um die Inszenierung. Miles spielt mit uns, dann machen sich Davis und Saxophonist Kenny Garrett an die Arbeit und tragen ihr persönliches Duell in der Mitte der Bühne aus. Wie zwei Gladiatoren in dieser großartigen Arena, sind Interaktion und Dynamik zwischen den beiden atemberaubend, und wenn es die Sechs-Minuten-Marke erreicht, fühlt es sich an, als ob der Song seinen einzigartigen Höhepunkt erreicht hätte. Garrett übernimmt die Melodie und treibt den hymnenartigen Song zu den Göttern. Wie ein Flammenwerfer vernichtet das sengende Solo seines Alts alles, was ihm in den Weg kommt. Während Sie dieser atemberaubenden Performance lauschen, können Sie davon träumen, wie es gewesen sein muss in dieser heißen, lauen Nacht des 1. Juli 1991 in Frankreichs Weinbaugebiet am Ufer der Rhone. Zum Glück haben wir nun den musikalischen Tagtraum „Merci-Meilen! Live at Vienna“ und können Miles und seine wundervolle Band nacherleben. Auf die Frage, welche Richtung Miles Davis weiter eingeschlagen hätte, könnten die beiden Prince-Covers „Penetration“ und Jailbait“ eine vage Antwort geben.

hannibal
amandla
MONSTER MAGNET – a better dystopia

MONSTER MAGNET
a better dystopia 2LP/CD

Die neue Platte „A Better Dystopia“ von Monster Magnet ist wie erwartet gut, auch wenn es darauf keine Überraschungen gibt. Die einzige Andersheit besteht darin, dass es sich um ein reines Cover-Album handelt. Aber im wahren Monster-Magnet-Stil besteht die Song-Auswahl aus Raritäten und Obskuritäten. Es ist ein Rauchalbum mit Attitüde. Es ist verschwommener und punkiger Hardrock. Haze Rock auf einer Mission, einer groovigen Mission. Dies ist ein musikalischer Roadtrip mit Motorrädern, Fuzzy-Gitarren, Leder und Denim und einer Menge großartiger Songs. Also viel Dunst. Die Stimme von Sänger Dave Wyndorf ist das Herzstück des Sounds dieser Band. Ob er spricht, singt oder schreit, seine Stimme erregt Aufmerksamkeit und bekommt sie ungeteilt. Wer weiß, wo seine Gedanken waren? Es spielt keine Rolle. Er lässt seine Gedanken los und verwandelt sie in psychotische Rockmusik und serviert sie auf „A Better Dystopia“ kompromisslos für unsere Uhren. Viele der Tracks haben ein Punkrock-Feeling – wahrscheinlich eine Reverenz an Shrapnel, jener respektablen Punkrockband aus New Jersey, deren Mitglieder Dave Wyndorf und Phil Caivano Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre waren.

born to go
learning to die
THE FLYING LUTTENBACHERS – live at wnur 2-6-92

THE FLYING LUTTENBACHERS
live at wnur 2-6-92 LP

Glauben Sie, dass Free Jazz völlig unzugänglich und humorlos sein muss? Betreten Sie die Welt der Flying Luttenbachers. Diese Neuausgabe der Kassette, die ursprünglich auf dem bandeigenen Label ugEXPLODE veröffentlicht wurde, ist die einzige Aufnahme der ursprünglichen Luttenbacher-Besetzung, zu der auch der Avantgarde-Jazz-Veteran Hal Russell gehörte. Er spielt jene Art von Musik, die der Schlagzeuger/Klarinettist Weasel Walter in seinen Linernotes „Punk-Jazz“ nennt, also alle Merkmale des Free Jazz mit kreischenden Saxophonen und Klarinette werden auf „Punk“-Extrem gebracht durch Walters unaufhörlichen Hyperspeed-Drumming. Dennoch ist die Musik nicht ganz formlos. Hören Sie genau hin und Sie werden Melodien und wiederkehrende Themen hören. Russell klingt, als hätte er Spaß mit seinen beiden jungen Bandkollegen und tauscht mit Weasel Walter humorvolle Zwischensongs oder sogar Geplänkel zwischen den Songs aus. „Edge of Night“ ist laut Russell aus einer Seifenoper geklaut, obwohl die Luttenbachers den Song passend in Jazz umwandeln können. Bei „Throwing Bricks“ stoppt die Musik für einen Moment mitten im Song, damit Weasel Walter seine Bandkollegen fragen kann, ob es Zeit für sein Schlagzeugsolo sei. Nach deren Bestätigung schlägt er das lebendige Tageslicht aus seinem Schlagzeug. Das soll aber nicht heißen, dass die Musik nicht ernst genommen wird. „Live at WNUR“ erweist sich sowohl als unterhaltsamer als auch fesselnder Act, ein Umstand, der nicht oft in Zusammenhang mit Free Jazz gilt.

survivors suite
playing in the dumpster
BIG BRAVE – vital

BIG BRAVE
vital LP/CD

Die Trennung von Kunst und Künstler ist eine absurde Vorstellung, die impliziert, dass Kunst trotz und nicht dank des kreativen Individuums, losgelöst von seinen Lebenserfahrungen, Ideologien und Handlungen, entsteht. Aber wenn die Absurdität dieser Argumentation immer noch nicht selbstverständlich war, dient Big Braves neue Platte als mächtiger Gegenschlag, der zeigt, wie untrennbar das Werk von seinem Schöpfer ist. Während die Erfahrungen von Frontfrau Robin Wattie als Mischling schon immer die Themen und die Musik des in Montreal ansässigen Metal-Outfits geprägt haben, fühlt sich insbesondere „Vital“ wie eine Erweiterung ihres Wesens an – eine musikalische Manifestation der Kämpfe dahinter und Kämpfe vor ihnen. Der letzte Teil des Albums ist wie der Versuch, nach einem emotionalen Zusammenbruch wieder zu Atem zu kommen. „Wited, Still and All…“ ist ein weicher und gebrochener, aber seltsam unharmonischer Schnitt, während „Of This Ilk“ und „Vital“ die musikalisch gewagteren Seiten der Gruppe mit Start-Stopp-Rhythmen und rasenden Riffs zum Vorschein bringen, wie ein Metallnachbeben. Wenn sich das Album seinem Ende nähert, gibt es ein Gefühl von etwas Großem, das gerade jenseits der Reichweite der Sinne vorbeizieht und eine Spur subtiler Melodien hinterlässt. Ein Weg nach vorn, wo es bislang keinen gab.

vital
of this ilk
ROBERT FINLEY – sharecropperʼs son

ROBERT FINLEY
sharecropperʼs son LP/CD

Spätzünder brauchen vielleicht etwas Zeit, um ihren Groove zu finden, aber auf solche außergewöhnliche Figuren wie Robert Finley lohnt es sich zu warten. Der heute 67-jährige Blues-Veteran aus Louisiana, der mit seinem 2016er-Debüt „Age Donʼt Mean a Thing“ und 2017 mit dem von der Kritik gefeierten, augenzwinkernden „Goinʼ Platinum“ große Aufmerksamkeit auf sich zog, scheint alles andere als bereit zu sein, langsamer zu werden. Seine neueste Sammlung von Songs, „Sharecropper’s Son“, ist tief von der Blues- und Soul-Tradition des US-amerikanischen Südens durchdrungen. Dieses Album, das alle Stärken Finleys brillant präsentiert, ist stark autobiografisch gefärbt, inspiriert vom Aufwachsen des Musikers im ländlichen Jim Crow South. Das Farmland und die Sümpfe von Süd-Louisiana liefern die drückende Kulisse, vor der Finley als Führer fungiert und die Zuhörer vom Land in die Stadt und wieder zurückbringt, während er einem nebulösen Traum von einem besseren Leben nachjagt. „Country Boy“ erzählt von der Knochenarbeit, die er einst auf den Plantagen geleistet hat: „Ich kann es nicht ertragen, an Baumwollfeldern vorbeizufahren / sie schmerzen immer noch im Rücken.“ In einer Geschichte, die Finley in mehreren Interviews erzählt, hat sein tief religiöser Vater jede Musik verboten, die nicht Gospel war. Abgesehen von der frühen Begegnung mit Kirchenmusik, scheint aus den harten Erfahrungen die strikte Weigerung zu kommen, eine verschlossene Tür als Gegenheit zu akzeptieren. Diese Hartnäckigkeit, die ihn letztlich zu später Anerkennung führte, wird in „Sharecropper’s Son“ eindrucksvoll hörbar.

sharecropper's son
country child
 

…und das gefällt uns auch noch:

BLURT – cut it LP
RYUICHI SAKAMOTO & DAVID TOOP – garden of shadows and light LP
TELEVISION PERSONALITIES – and donʼt the kids just love it LP
THANK – please EP
LINK WRAY – link wray LP
XIU XIU – fag patrol LP
OST – minamata 2 LP/CD
NICO – drama of exile LP/CD
SONNY ROLLINS – on impulse! LP/CD

 

…dazu noch einige Konzertempfehlungen für die nächsten zwei Wochen:

So., 04. 07. Vinyl & CD-Flohmarkt – Outdoor!
Chelsea, 8, Wien, Lerchenfeldergürtel U-Bahnbögen 29 - 32
Mo., 05. 07.-15. 08. Kultursommer Wien 2021
diverse Veranstaltungsorte
Fr., 09. 07. Rote Augen / Bertram (A)
Chelsea, 8, Wien, Lerchenfeldergürtel U-Bahnbögen 29 - 32
Do., 15. 07. B.B SUGAR – an intimate piano concert by Samuel Ebner (Thirsty Eyes/Teenage Angst/Vienna Falling)
fluc + fluc wanne, 2, Wien, Praterstern 5
Fr., 16. 07. Intimspray (A)
Chelsea, 8, Wien, Lerchenfeldergürtel U-Bahnbögen 29 - 32
Sa., 17. 07. Record Store Day
Rave Up Records, 6, Wien, Hofmühlgasse 1
Do.-Sa., 22. -24. 07. Popfest Wien
Arena, 3, Wien, Baumgasse 80

 
RECORD STORE DAY bei Rave Up Records:
Für Samstag, den 17. Juli, können keine Bestellungen mehr angenommen werden. An diesen Samstagen öffnen wir übrigens schon um 9 Uhr unsere Pforten, und das bis 18 Uhr. Es gilt: First come, first serve!
Dazu gibt es den ganzen Tag -10 % auf jeden Einkauf.
 
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Euer Rave Up Team

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